28/11/11
Polizei braucht Nachhilfe: Übergriffe auf die Presse bei Castorprotesten
Noch im Jahre 2011 und nach dem Stuttgart 21-Machtmißbrauch benötigt die Bereitschaftspolizei augenscheinlich Nachhilfe in Sachen Demokratie und damit verbundener Pressefreiheit; ebenso wie in Verhältnismäßigkeit.
Die Übergriffe der Polizei auf Fotojournalisten können aus der Ferne sicherlich nicht genau bewertet werden, sie klingen jedoch reichlich zwielichtig und die Fotos sind, wenn sie authentisch sind, schon ernstzunehmende Hinweise: Pfefferspray, Gummiknüppel, Tritte und ein "Headbutt" mit dem Helmvisier sollen einige der Übergriffe der Staatsmacht auf die demokratische Kontrollinstanz gewesen sein. Selbst wenn einige Fotojournalisten sicherlich keine Chorknaben sind, die Aussage:
"Ihm sei lediglich ein Fall bekannt – in dem sich im Nachhinein herausgestellt habe, dass ein Journalist nicht wie behauptet durch den Schlag eines Polizisten, sondern durch einen Sturz am Kopf verletzt worden sei. " - weiterlesen
klingt doch arg nach dem englischen Scherz, der frisch zusammengeschlagene Gefangene "sei auf dem Weg zur Zelle gestolpert und die Treppe heruntergefallen".
Und auch die Behandlung der "gewöhnlichen" Demonstranten läßt Augenmaß vermissen, wenn ein Polizist beispielsweise einen am Boden Liegenden auf dem Perd zu überrennen scheint.
Da ist wohl noch etwas Nachhilfe für unseren Freund und Helfer vonnöten. Und der Rausschmiß von Prügelfreunden, die fatal an die amoklaufenden Wärter aus "Das Experiment" erinnern. Wer das Gewaltmonopol wahrnimmt, muß auch die Verantwortung tragen. Immerhin, das Internet macht solche Verbrechen öffentlich. Was wieder zur Debatte über die Freiheit des Netzes führt ...
Zur Berichterstattung, es habe ungewöhnlich viele gewaltbereite
Demonstranten gegeben:
Dies mag stimmen oder auch nicht, es ist
keine Entschuldigung für polizeiliches Fehlverhalten. Gewalttätige
Demonstranten handeln illegal und können zur Rechenschaft gezogen
werden. Gewalttätige Polizisten sind durch das Gewaltmonopol (bis zu
einem gewissen Grade) gedeckt. Das bringt Verantwortung mit sich, der
sie gerecht werden müssen.
Nachtrag: Und ein Podcast-Ü-Wagen ist der Polizei auch zu viel Demokratie, wie es scheint. Möge jemand den Damen und Herren in Uniform bitte in Erinnerung rufen, wer ihr Arbeitgeber ist?
Nachtrag II: Teleskopschlagstöcke sind übrigens keine Gummiknüppel (Photo vom Einsatz auf Gorleben, Polizist rechts). Sie sind zu Recht für gewöhnliche Bürger zu tragen verboten ud ddas Pendant zu Hartgummigeschossen. Auf Demonstrationen haben diese Knochenbrecher nichts verloren. Ausgiebiger Einsatz von Pfefferspray, Knochenbrecher -- eine merkwürdige Richtung, in die sich unsere Polizei derzeit entwickelt. Allerdings illustriert das verlinkte Photo auch die Problematik solcher Bilder: Zwar erweckt es den Eindruck, eine unbewaffnete und quasi hilflose Frau werde hier von einer Überzahl hochgerüsteter Polizisten attackiert, jedoch läßt es keine Rückschlüsse darauf zu, was zuvor geschehen ist und welchen Hintergrund die Attacke der Polizei auf die Demonstrantin hat.
Nachtrag III: Einigen Polizisten scheint das brutale Vorgehen so
gut zu gefallen, daß
sie es auch gleich an ganz gewöhnlichen Tagen gegenüber ganz
gewöhnlichen Passanten anwenden -- hier einer Frau; das klingt
schon nach sexueller Erregung des Beamten durch Sadismus, was natürlich
kaum juristische Folgen hat. Beamter
schlägt Frau in den Magen und verhaftet sie, die nach seinem Namen fragt.
Es gibt Freunde und Helfer, die sind eher der Böse Onkel.
Ein
fatales Signal: Sexuell Gestörte, bei der Polizei dürft Ihr Euch so
richtig ausleben. Gegen Radikalisierung hilft derlei nun nicht.
27/11/11
The International Jugger Blog: Tolerance, democratic tenets and human rights are our foundations.
Thanks to a Jugger team in Spain, which displayed loads of Franco fascist symbols (maybe out of naïveté), and the corresponding discussion in our international forum, I felt the need to make a clear statement on Fascism. I may add that my master thesis in history had been on the mixing of Weimar science and nazi ideology and I have done research on popular anthopological magazines and their change during that time.
The statement at The International Jugger Blog:
The International Jugger Blog hereby states that it, as well as anyone posting entries on it, declares that he or she stands for tolerance, democratic tenets and human rights.
Fascism is not just another political point of view.
Fascism
is not a joke.
Fascism is not history.
But learn of fascist
history.
Fascism, and its associated ideologies like Nazi/Neonazi ideologies, negates basic human rights. It is responsible for the death of millions of millions of people, in Germany alone for over 6.000.000 (!) Jews being murdered just for their belief, or just for being what they were; in addition to so many others murdered for their belief, sexual orientation or political engagement. Look it up in the history books.
There is no way we can tolerate such an ideology. This is not a matter of left-wing bearings or similar. This is a duty to anyone respecting human rights.
Politics should not be intermixed with sport. But especially with extremist tendencies, an intermixing is inevitable. So "Politics has nothing to do with sports" does not solve, merely ignore the problem in this case. And ignoring all too quickly equals accepting.
Please do not deep-link the images but copy them on your server, if you want to use them!
19/11/11
Der Linksterrorismus ist viel, viel böser als die kleinen rechten Schlingel!
Ach je, jetzt ist es wirklich vorgedrungen, musste ja so kommen, daß, oh Wunder, hinter den Sieben Bergen, bei den Sieben Zwergen, Kunde ankam, daß die Rechten nun tatsächlich, nein wirklich, wer hätte es gedacht, nie, aber auch nie, weil die ja so nett, und immer so ordentlich, und so ein paar, gut, na ja, Dutzend, Neger und Kanacken und Knoblauchfresser weniger pro Jahr, das ist doch nicht so schlimm, im Gegensatz zu den bösen Linken, die zünden ja auch unsere Autos an, oh, das war ein frustrierter Täter, egal, es stand doch in der Bild, daß das Linke waren, stimmt also, nein, keine Menschen, na gut, die töten sie nicht, ach das sind doch Details!, aber jetzt, die braven Jungs, wirklich, TERRORISTEN sind, nachdem doch gerade Dornröschen Schröder die ganzen Projekte der bösen, bösen Linken, diese ganzen verkappten Staatsfeinde, so glanzvoll und staatsmännisch mit ihrer großen Extremismusklausel unter Generalverdacht gestellt und ausgebremst, fiese linke Propaganda das, nur damit diese Kommunisten wieder ihre verlausten Jugendhäuser weiterbetreiben können, das bringt doch nichts, wegsperren, ist da doch das einzige und so viel billiger als diese sogenannten "Pädagogen", diese schrecklichen Gutmenschen aber auch!, dabei kann es doch gar keinen rechten Terror geben, das ist doch Volkshygiene, weiß doch jeder, ach nein, unsere netten, strammen Jungs, die haben das doch bestimmt nicht so gemeint, das sind arme Opfer der Linksfaschisten, mensch Kristina, reich doch mal den Zucker rüber, ja, ganz ganz schlimm, jemand hat dem Friedrich da das falsche Paper untergeschoben, der kann doch nur den linken Terror, weil rechten, den gibt es doch gar nicht, nein gar nicht, ach Kristina, wenn das der Führer wüsste, schlimm, schlimm, die Torte ist aber gut ...
Ah, Krista, Krista, ich hatte es ganz vergessen, du, laß
uns doch schnell das Neue Deutschland als linksextrem einstufen! Das ist
ja das Gegenteil von Rechtsextrem, nur vielviel schlimmer, du, das
ist eine tolle Idee, oder? Können wir wieder zeigen: Hey, wir tun was!
Nachtrag: Die Süddeutsche hat eine schöne Zusammenstellung darüber, wie Gegner der rechten Mordgesellen und ihrer Brüder im Geiste gern auch pauschal vom deutschen Staat verfolgt werden. Das rechte Auge bleibt blind, allen fadenscheinigen Beileidsbekundungen zum Trotz.
Aktualisierung: Da wird dann auch mal die Immunität des Chefs der hessischen Linksfraktion aufgehoben, der auf einer Anti-Nazi-Demo war, weil "die Staatsanwaltschaft" das so wollte. Als Präzendenzfall durchaus nicht übel, um bei CDU und FDP-Vertretern künftig die Immunität bei jeder beliebigen (dort allerdings eher gehaltvollen) Beschuldigung zu knacken.
16/11/11
V-Männer: Beobachter oder Täter?
Ein Beitrag bei Burks zum Thema Verfassungsschutz und V-Männer illustriert die Crux: Auf der einen Seite werden V-Männer eingeschleust, um Einblick in die Rechte Szene zu bekommen, auf der anderen Seite bauen eben genau diese V-Männer aktiv die Rechte Szene weiter aus, bereiten aktiv Anschläge mit vor und versehen die Szene mit Kompetenz:
"Ein V-Mann [...] baute höchstpersönlich die Bomben, die Neonazis 1977 vor Justizgebäuden plazierten. [...] 1993 bezahlte der VS den V- Mann Michael Wobbe dafür, Sicherheitschef der NF zu sein und in deren Namen Neonazi-Kameradschaften aufzubauen. Mehrere Jugendliche wurden in Füssen verurteilt, weil Wobbe sie aufgehetzt, geschult und sie nach getaner “Arbeit” verpfiffen hatte [...]. Der Solinger V- Mann Bernd Schmitt integrierte Jugendliche in die rechte Szene und bildete sie in seiner Kampfsportschule aus, was ohne ihn nicht geschehen wäre." -- weiterlesen bei burks.de: "Potemkin läßt grüßen"
15/11/11
Facebook Phishing-Mail
Nichts Ungewöhnliches, aber nicht ungeschickt gemacht: Eine Phishing-Mail,
die Facebook-Logindaten abschöpfen möchte. Und erstaunlicherweise ohne
schwerwiegende Rechtschreibfehler . Zielseite sieht zum Verwechseln
ähnlich. Nicht ohne Humor der Hinweis: "... and make sure no one
is using your account without your permission."
Mancher
Nutzer mag in Panik denn doch zu schnell klicken ...
Dear Facebook Member,
Your Facebook account was recently logged
into from a computer, mobile device or other location you've never used
before. For your protection, we've temporarily locked your account until
you can review this activity and make sure no one is using your account
without your permission.
Did you log into Facebook from a new
device or an unusual location?
If this was not you, please follow
the link below and verify your account.
http://.../index.html?=account_recovery
Please
note: if you not verify your Facebook account wthin 10 working days, for
your protection, the account will be deleted.
Thanks,
Facebook
Security Team
Sicherheitsdienstmitarbeiter der BVG als grobe Sheriffs
Ein Bericht im Hauptstadtblog über das grobe Betragen von privatem, GSG-artig gekleidetem Sicherheitspersonal in der BVG: Mutmaßliche Nötigung von Fahrgästen und das bezeichnende Zitat:
"Wir bestimmen hier!"
Dem Sicherheitssektor haben jene Angestellten jedenfalls einen Bärendienst erwiesen. Es ist eben ein Risiko, Sicherheit "outzusourcen".
Den Artikel lesen: Neanderthaler in der Tram M10: Wie Sicherheitskräfte Unsicherheit schaffen (Hauptstadtblog)
14/11/11
Über das Gendern: "Innen", "_innen", "innen/-en"
Eine Diskussion über das Gendern im Forum des Autorenkreises Historischer Roman Quo vadis, der an diesem Wochenende seine Historica-Tagung in Singen abgehalten hat, soll ⇒ im Forum des Kreises angestoßen werden. Desgleichen im Monségur-Autorenforum.
11/11/11
11.11.11
Das Datum fordert einen Eintrag. Blackminton ist da der Hinweis der Wahl. Dieses Spiel bei Nacht gibts in Berlin ... ausgezeichnet.
08/11/11
Wein, Whisky und Tabak: Über Rauchkultur und Lesemundstücke
Die Raucherdiskussion ist das eine – so wohltuend es ist, im Café
nicht mehr ständig silberne Wolken um die Nase geblasen zu bekommen, so
skurril verbissene Züge nimmt sie doch an, die "Selbstgängelung des
Bürgers", wie es so schön hieß* – Rauchkultur hingegen ist das andere.
Also nicht der sinnentleerte Konsum ganzer Zigarettenpackungen aus
bemühter Coolness, Langeweile oder Sucht, sondern der Genuß des
Kulturguts Tabak, wie er in der Neuzeit so schön mit "Rauchtrinken"
bezeichnet worden ist.
Der Rauchersalon und der Smoking sind
leider so gut wie vergessen, und der Pfeife droht ein ähnliches
Schicksal. Dabei ist doch gerade die Pfeife die schönste Form, Tabak zu genießen.
Sie kann nicht einfach verkonsumiert werden (wenigstens nicht, ohne sie
zu vergewaltigen; allerdings zahlreiche Beispiele auch und gerade aus
der akademischen und literarischen Welt belegen solche vom Weg
abgekommenen Pfeifendauerraucher). Sie muß nach Gebrauch wenigstens
einen Tag trocknen, und für die "Raucherpause" dauert ein Pfeifenkopf
mit einer halben bis Dreiviertelstunde Brenndauer zu lang. Sie will
besonnen gestopft werden, nicht zu fest und nicht zu locker, die erste
Schicht so, die zweite Schicht so; sie möchte nach Gebrauch umsorgt
werden, gilt es doch, sie sorgsam mit Pfeifenreinigern zu umschmeicheln,
nicht zu viel vom Brand in der Rauchkammer zu entfernen und sich daher
mit Geschick des Pfeifenbestecks zu bedienen. Und auch im Stadium des
Trocknens ist sie ein Genuß, ein optischer nämlich, wenn sie den
Schreibtisch ziert und sich still und geduldig auf ihren neuerlichen
Einsatz vorbereitet. Nicht umsonst war und ist die Pfeife bei vielen
indianischen Völkern ein Symbol der Gemeinschaft und der friedlichen
Diskussion, aber diesen leider hierzulande gern esotherisch verbämten
Aspekt möchten wir doch schnell wieder beiseitestellen.
Damit
nicht genug: Auch der Tabak ist bei der Pfeife eine Wahl ganz eigener
Art. Wie bei guten Weinen oder Whiskys muß hier ein jeder seine eigene
Vorliebe erst entdecken, indem er seine Sinne darin schult, würzige
Tabake von aromatisierten zu trennen lernt, scharfe von sanften,
geschmackvolle von allein geruchsstark protzigen, die letztlich aber
keinen Charakter besitzen. Er kann so einen schönen Anlaß damit feiern,
einen bestimmten Tabak bei dem Händler seines Vertrauens zu erwerben,
wobei leider die gute Tradition der Tabaksproben mittlerweile allzu sehr
leidet, jene Tradition, die einst einen so guten Überblick über
verschiedene Sorten zu geben vermochte. Er kann zu seiner einen
Tabaksorte stehen wie ein Fels in der Brandung, und tatsächlich kann
dieser sein Tabak einzigartig schmecken, nicht allein in der Theorie,
und da es sich über Geschmack nicht streiten läßt, wird niemand diese
Stellung zu stürzen vermögen. Über einen
solchen würzigen Tabak ist bereits an diesem Ort berichtet worden.
Es liegt nun leider in der Natur des Menschen, Dinge über einen Kamm zu
scheren und also allzu flink alles Rauchwerk zu verdammen, anstatt hier
zu differenzieren; es ist ja auch viel einfacher, sich im absoluten
Recht zu wähnen, anstelle sich der Mühe des Hinterfragens hinzugeben.
Denn die Pfeife kann das Wesentliche befördern: Den bewußten Umgang mit
einem Genußmittel, mithin vielleicht gar zum Verschmähen des reinen
Massenkonsums von billigem Zigarettentabak führen.
Und wenn ihre
Möglichkeiten ausgeschöpft werden, dann bietet die Pfeife sogar einen
Ansatz für Bildung: Ist man doch, will man sie genießen, gezwungen,
innezuhalten; sei es durch einen Spaziergang, sei es durch die Lektüre
eines guten Buches. Und hier bietet sich eine weitere Facette an.
Item.
Das Lesemundstück
Denn es kann gerade die Pfeife selber auf spannende Weise verändert
werden: Dergestalt, daß sie zum einen mit dem üblichen und bekannten
Mundstück genossen wird, zum anderen aber, und hier kommt besonders der
Faktor des in der heutigen hektischen Zeit so vernachlässigten
Müßiggangs ins Spiel: Mit einem Lesemundstück.
Dieses Mundstück, von kundiger Hand angepaßt an den gewöhnlichen
Bruyèrekopf, zeichnet sich durch seine Länge aus, wenigstens zwanzig
Zentimeter dürfen es schon sein. Hierdurch liegt die Pfeife ganz
exzellent in der Hand, wenn man es sich in einem Sessel bequem gemacht
hat, und der Arm kann entspannt auf die Lehne gestützt sein, während die
andere Hand geradezu aus eigenem Antrieb nach dem Buch oder, sofern
bewußt auf den Tabak abgestimmt, Whisky greift. Außerdem ist der Rauch
merklich kühler und somit angenehmer.
Nun hat leider die
Verfilmung von Tolkiens "Herr der Ringe" dazu beigetragen, das
Lesemundstück in Verruf zu bringen, indem es dieses in Verbindung bringt
mit Fantasygeschöpfen, Liverollenspielern und Mittelaltermarktbesuchern,
gegen die gewiß nichts einzuwenden ist, außer daß diese modischen
Erscheinungen oder auch der mit jenen Moden implizite Verdacht einer
Realitätsflucht eben nichts mit dem Wesen des Rauchtrinkens gemein hat.
Kontemplation ist vielmehr das Gegenteil dessen, dient sie doch dazu,
sich der Realität mit möglichst geringer Ablenkung zu stellen.
Doch
wie es bei Moden so ist, wird auch dies mit der Zeit vergessen werden.
Hingegen der Zirkel der Genießer, die bewußt eine Pfeife entzünden,
derweil die Verallgemeinerer gegen das Rauchen an sich zetern, wird sich
gewiß halten. Denn Qualität findet ihre Wertschätzung, auch gegen Volkes
Wille.
Ein gewöhnliches Mundstück unter einer günstigen und ein Lesemundstück unter einer besseren Bruyère-Pfeife.
Item. Ein Pfeifenmacher, ein Raucherzirkel und Tipps für Einsteiger.
Abschließend sei noch der preisgekrönte
Berliner Pfeifenmacher Nils Thomsen empfohlen, dessen kleine
Werkstatt, gut verborgen in dem modernen Glaspalast eines Treptower
Kinos und nach Betreten eine Welt ganz für sich, Wunderwerke der
Pfeifenbaukunst zeitigt und von dem auch die Bruyèrepfeife zur rechten
Hand auf der untenstehenden Abbildung stammt. Und dann gibt es auch noch
das "Tabakskollegium
Berlin". Grundsätzliche Tipps finden
sich hier.
---
*) Das sehr treffende komplette Zitat lautet: "Eine
Demokratie, die sich darauf beschränkt, Rauchverbote in Gaststätten zu
erlassen oder die Helmpflicht von Radfahrern zu diskutieren, also dem
gegenseitigen Gängelungsverhalten der Bürger nachzugeben, aber die eine
große Macht, die alle gängelt, nicht beherrschen kann, ist das Papier
nicht wert, auf dem ihre Verfassung gedruckt wird." -- Jens
Jessen, DIE ZEIT
02/11/11
Die Moderne erreicht den Uhu
Bisher habe ich meine Lesungen stets mit einem guten, alten Diaprojektor und einer kleinen Auswahl an Lichtbildern untermalt. Das funktionierte ganz hervorragend und fesselte die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht minder (wenn nicht sogar mehr), als manche PowerPoint- oder Impress-Präsentation. Außerdem spart man sich die üblichen Kommunikationsprobleme zwischen Laptop und Beamer. Nur die Vorträge zu School Shootings oder zur Falknerei habe ich mit einer Präsentation erledigt. Inzwischen ergibt sich allerdings das Problem, daß mehr und mehr Schulen keine oder kaum funktionstüchtige Diaprojektoren haben.
Auf den Singener Literaturtagen kommende Woche werde ich diesen alten Modus nun ändern. Für die Schullesungen dort werden also die guten alten Wikinger, inklusive Falknerei, in digitaler Farbenpracht erstrahlen. Doch wie bei den Dias wird auf Schrift und Effekte fast vollständig verzichtet – die Zuhörer sollen die Bilder auf sich wirken lassen können, ohne deskriptiven Schnickschnack, den ich mündlich viel besser transportieren kann. Die einzig wahre Form einer Präsentation ist ohnehin ein effektfreies PDF. Und die Qualitätsleistung eines Vortrags oder einer Lesung kann keine Technik der Welt dem Vortragenden selber abnehmen. Und der Overhead wird wohl immernoch benötigt werden ...
Ein Militärputsch als europafreundliche Lösung für Griechenland
Diese These, gegen Entrüstung verkleidet als Herrenwitz, macht derzeit laut Schirrmacher in der Finanzwelt die Runde: Ein Militärputsch in Griechenland wäre eine gute Lösung für Europa, da Griechenland dann nicht mehr in Europa bleiben dürfe.
"'Forbes' [...] dreht das Schleusentor noch ein wenig weiter auf: 'Dieser Witz ist deshalb so traurig und bitter, weil – wenn wir das kleine Problem ignorieren, dass Griechenland dann eine Militärdiktatur wäre – er in Wahrheit ein gute Lösung für Griechenland zeigt.'" - weiterlesen:"Demokratie ist Ramsch", FAZ 1.11.11
Auch sonst ist dieser Artikel in der FAZ durchaus lesenswert. Schirrmacher redet Klartext:
"Es wird immer klarer, dass das, was Europa im Augenblick erlebt, keine Episode ist, sondern ein Machtkampf zwischen dem Primat des Ökonomischen und dem Primat des Politischen. [...] Sieht man denn nicht, dass wir jetzt Ratingagenturen, Analysten oder irgendwelchen Bankenverbänden die Bewertung demokratischer Prozesse überlassen?" -- Weiterlesen:"Demokratie ist Ramsch", FAZ 1.11.11
Und diese Zeilen stehen nicht etwa in der TAZ oder in der jungenWelt. Es sind erstaunliche Zeiten angebrochen.
01/11/11
Der Friedhof in Prag: Leicht zu lesendes Buch, wichtiges Thema
Oft wird in dieser Zeit davon gesprochen, Umberto Ecos Bücher seien schwer zu lesen und weit entfernt von "Unterhaltungsliteratur".
Gerade für den "Friedhof in Prag" gilt dies aber meines Erachtens nicht. Richtig, das Buch nimmt sich eines wichtigen und bedeutungsvollen Themas an, nichts Geringerem nämlich als Rassismus und Antisemitismus, dort sogar der "Protokolle der Weisen von Zion". Eine solche Themenwahl kann allzu schnell ins Unglück führen: Sei es durch moralistisches Geschwurbel, sei es durch linkische Entsetzensprosa, sei es durch lüsternes Ausloten dieser menschlichen Abgründe. Hitlers Frauen, Hitlers Hunde, Hitlers Steppdecke, wir kennen diese Sorte Themenabwicklung zu Genüge.
Der "Friedhof in Prag" tut nichts davon. Er baut mit dem Protagonisten einen – sehr gut in die heutige, auf Effizienz getrimmte Zeit passenden – wahren Widerling auf, der keinerlei Selbstreflektion kennt und allein um seines eigenen Genusses Willen und stets in der Überzeugung, im Recht zu sein, verleumdet, mordet und fälscht. Diese Person verfasst dann jene Pamphlete, die als die "Protokolle" in die reale Geschichte eingegangen sind. Mit Hilfe dieses Protagonisten gelingt es Eco meisterlich, einen Zugang zum Thema zu schaffen.
Aber dennoch ist dieser Roman alles andere als "unleserlich". Kein Vergleich zum tatsächlich schwierigen "Foucaultschen Pendel" oder auch der "Insel des vorigen Tages". Er ist vielleicht sogar noch eingängiger zu lesen als "Baudolino", und das will schon etwas heißen.
Die Kritik an Eco, er schreibe unleserliche Bücher, kann ich daher ganz und gar nicht nachvollziehen. Wenn es allein der literarische Anspruch ist, den Eco weiterhin wahrt und der die Kritiker abschreckt, dann haben sie den Sinn von Literatur vielleicht mißverstanden. Gut, das ist nun zu hart geurteilt, schließlich kann Kritik auch bei Eco durchaus berechtigt sein. Aber er schreibt eben auf seine Weise, er schaut nicht danach, was den meisten Lesern gefallen sollte (das Marketing hat hier in vielen Verlagen einiges an Mitspracherecht) und erweckt dennoch nicht den Eindruck, er würde um des "hochliterarischen" Effektes Willen bestimmte Stilmittel wählen, siehe die Anmerkung zu Saramago im Nachtrag.
Aber dennoch hinterläßt der "Friedhof in Prag" ein unbestimmt flaues Gefühl. Er ist trotz des Themas, trotz der gelungenen Hauptfigur, selbst bei positiver Wertung seiner Lesbarkeit nicht Ecos großer Wurf. Es mangelt ihm an der Brillanz anderer Werke dieses großen Autors. Der so gelobte Perspektivwechsel ist allenfalls ein Taschenspielertrick, ein Werkzeug, keine Auszeichnung.
Aber lesenswert, das ist der Roman allemal. Vielleicht eben gerade für jene, die sonst vor Eco als dem "Überstilisten" eher zurückschrecken.
Nachtrag: Sehr schön, eine Blog-Diskussion! Ich habe den obigen
Beitrag nochmal entsprechend überarbeitet und konkretisiert. Kollege
Böhmert legt durchaus nachvollziehbar dar, weshalb er Eco
weiterhin nichts abgewinnen kann. "Einschübe, die in einem
Klammer-zu-Strich-Komma kulminieren: Da verdrehe ich schon zum ersten
Mal die Augen." Nachvollziehbar. Dennoch finde ich diesen Eco
... ja: Unterhaltsam. Und das ist ja auch eines der Eigenarten im
literarischen Anspruch, nämlich kontrovers diskutiert werden zu können
und dabei zu prüfen, ob es Effekthascherei oder eben gelungener (wenn
auch nicht unbedingt einfacher) Stil und Charakter sei.
Beispielsweise
drei Sätze, die länger als eine Seite sind (siehe Frank),
schaffen bei einem anderen Autor, José Saramago, eine einzigartige
Atmosphäre, sie zeichnen ihn und die Art, wie er Themen anpackt und
erleben läßt, gerade aus. Gerade das Einlassen auf seinen
unkonventionellen Stil kann einen besonderen Lesegenuß erreichen. Er ist
gewiß ein Extrembeispiel, aber deswegen gut zur Illustration der Sache.
Ob Eco das mit seinem Stil ebenfalls schafft, muß freilich jeder Leser
selber entscheiden.
Oder einfach gesagt: So unterschiedlich sind die
Geschmäcker.