26/06/10
"Hungrig bleiben!?": Ein Theologe über das (letzte) Abendmahl und seinen Hintersinn - lesenswert!
Gewöhnlich bin ich an Theologie nicht besonders interessiert, außer
im historischen oder gesellschaftlichen Kontext. Aber das Buch über die
Frage der trennenden Wirkung des Abendmahls, das der Bamberger
Theologe und katholische Priester Prof. Joachim Kügler verfasst
hat, hat meine Aufmerksamkeit dann doch gefesselt. Schon die Person des
Autors ist faszinierend: Lehrstuhlinhaber der Neutestamentlichen
Wissenschaften der Universität Bamberg, war er sich nicht zu
schade, beispielsweise die Prieserweihe für Frauen zu fordern.
Selbstredend stieß er bei den Ultrakonservativen auf entsprechenden
Unmut.*
Und auch in diesem Buch - das sich immerhin mit einem Kernmerkmal
jeder katholischen Messe auseinandersetzt - wird rasch klar, daß es sich
bei ihm nicht um einen salbungsvollen, aber willenlosen Nachbeter und
Radfahrer handelt, sondern um einen kritischen Geist, der seine
wohluntermauerte Kritik an Herzstücken der katholischen Kirche anbringt.
Darüber hinaus mit viel Humor. So sind hier Textstellen zu lesen wie:
"Wir
wissen nicht, wie Jesus ausgesehen hat. Die meisten Darstellungen zeigen
ihn asketisch schlank. Vielleicht war er ja in Wirklichkeit eher etwas
mollig. Eine sehr ungewohnte Vorstellung [...] Jesus muss jedenfalls ein
Mensch gewesen sein, der gerne gegessen und getrunken hat." (S.
14)
Und als pure Häresie muß den Konservativen erscheinen, was er
an anderer Stelle schreibt:
"Wenn heute immernoch manche
Priester meinen, sie müssten die Wandlungsworte möglichst tief in den
Kelch hauchen, dann erscheint das aus der Perspektive des Neuen
Testaments und der Alten Kirche als ziemlich abgedreht. Es geht nicht
darum, dass der Wein auch hört, dass er sich jetzt verwandeln muss."
(S. 57 f.)
Schon der Untertitel muß konservativen Katholiken wie eine Herausforderung vorkommen: "Warum das Mahlsakrament trennt und wie man die Trennung überwinden könnte."
Doch Kügler geht es hier wie gesagt nicht um eine billige und heutzutage allzu beliebte Provokation um der Provokation willen - vielmehr greift er frontal Probleme in der Eucharistie selbst an, und tut dies nicht demagogisch oder gar polemisch, sondern mit stichhaltigen Argumenten. Aber eben mit einem beinahe schelmenhaften Humor, der die vorgeschobene Ernsthaftigkeit der Althergebrachten nur noch mehr entlarvt.
Insgesamt ein hochintelligent geschriebenes, sachlich-kritisches und dennoch sehr gut zu lesendes Buch über das hochsymbolische christliche Ritual.
Joachim Kügler: Hungrig bleiben. Warum das Mahlsakrament trennt und wie man die Trennung überwinden könnte, echter, Würzburg 2009 [ Leseprobe ]
*) Nachtrag: Der Vatikan hat die versuchte Ordinierung von Frauen zu einem der schwersten Verbrechen deklariert.
20/06/10
Uhus kleine Tipps für die eigene Lesung
Lesungen sind ein fester Bestandteil im Leben eines Autors. Da hohe
Vorschüsse eher unüblich sind und eher nur die großen Verlage
fünfstellige Summen zahlen, die dann aber zumeist auch passgenaue
Schreiberei haben wollen, hingegen kleinere Verlage sich am unteren Ende
der Vierstelligkeit bewegen, stellen Lesungen nicht nur ein Zubrot dar.
Sie sind vielmehr das eigentliche Honorar für die Arbeit an einem Buch.
Mit dem Buch wird also quasi erst die Möglichkeit zur Akquise von
Honoraren für dieses Buch geschaffen.
Darüber hinaus sind
Lesungen natürlich auch etwas ganz Besonderes. Immerhin präsentiert hier
der Autor oder die Autorin persönlich ihr Geschriebenes einer
Zuhörerschaft, darf mit Lob rechnen, muß aber auch erwarten, von einem
Erbsenzähler im Publikum gelöchert zu werden. Immerhin erlebt man hier
den eigenen Text hautnah sozusagen in freier Wildbahn. Und der per se
alltägliche einsame Akt des Schreibens wird nun von einem gemeinsamen
Erlebnis abgelöst. Plakate im Vorfeld oder Presseberichte im Nachgang
können eine schöne Bestätigung der eigenen Arbeit sein.
Gerade wer noch nie eine Lesung gehalten hat, wagt sich damit auf Neuland voller kleiner und großer Unbekannter. Wie wird die Veranstaltung besucht sein? Welcher Menschenschlag wird wohl anwesend sein? Wird man laut genug, flüssig genug, lange genug lesen können? Wie wird man vom Veranstalter betreut werden? Wird er einen nach der Lesung sitzen lassen, oder nach dem intensiven Erlebnis hinausbegleiten? Was tun, wenn ...?
Als ich 1997 meine erste Lesung hielt, hatte ich mich nur wenig darauf vorbereitet. Durch ein paar kleine Tricks gelang es mir, die Sache ganz gut über die Bühne zu bringen. Seither habe ich viele hundert Lesungen durchgeführt, vor allen Schularten und Altersgruppen, in Bibliotheken und Buchhandlungen, vor gespanntem über lethargisches (auch scheintotes darunter) bis hin zu quirligem Publikum. Gern teile ich meine Erfahrung - aber ausgelernt habe ich noch lange nicht ... Ganz egal, wie viele ich noch halten werde: Jene erste Lesung damals werde ich gewiß nie vergessen, denn es war immerhin das erste Mal. Und allein wegen dieser Erinnerung sollte das erste Mal nicht völlig danebengehen. Daher finden sich nun ein paar Tipps aus meiner Praxis, die zum Gelingen der Veranstaltung beitragen können, auf ⇒ Uhus Nest. Auch für jene, die nicht einem Mittelsmann ("Agent") ein Fünftel ihrer Einnahmen für marginale Organisationsbeschäftigung in den Rachen werfen wollen.
Das allerwichtigste ist aber immer: Locker bleiben. Es ist keine Prüfung - Sie sind der Autor, die Leute wollen Sie hören, Sie lenken die Veranstaltung und werden sie nicht enttäuschen. Und letztenendes ist es nur eine Lesung! Mit der Einstellung kann schon fast nichts mehr schiefgehen.
19/06/10
José Saramago: In Gedenken an einen großartigen Autor
![]() In Zeiten der marketinggerechten Popliteratürchen, der lexikalisch aufgepeppten Bildungswälzerlein und lesergerechten Romänchen mit möglichst wohlfeiler politischer Aussagekraft ist der Tod eines Großen unter den Literaten ein unschätzbarer Verlust. Und sein Tod ist eine Verpflichtung an seine Berufskollegen, sich ihrer Verantwortung zu erinnern: Der politisch-gesellschaftlichen Verantwortung, die ein Schriftsteller durch die inhärente Freiheit seines Tuns trägt. Keiner behaupte, diese Freiheit gäbe es nicht: Das opportunistische Greifen nach den Sternen im Namen einer extrem kurzlebigen Vermarktungs-Unkultur ist velleicht verständlich, aber letztlich eben nur opportunistisches Wegschieben dieser Verantwortung zugunsten höherer Vorschüsse und theoretischer oder praktischer Verkaufschancen. Freiheit muß erkämpft werden, gerade in einem Literaturbetrieb, der gern clownesk anmutet und so oft dem scheinseriösen und selbstgefälligen Klamauk anheimfällt. Selbstinszenierungen wie Stirnritzung und Wasserglaswerferei gehören auf die Bühne oder in die Politik.
José Saramago war zeitlebens kein
Opportunist. Für seine politischen Überzeugungen stand er ein,
vor allem aber war er ein unvergleichlicher Autor, der zu Recht
in einer Reihe mit Grass steht (und ihn nach meinem Befinden
übertrifft) - sein Schreibstil ist wie ein Rausch, der sich aber
dem Leser nicht billig hingibt. Vielmehr fordert er die Hingabe
des Lesers ein, um sie dann um so intensiver zu belohnen, ganz
ohne den so modernen überflüssigen Zierrat ausufernder
Kulissenbeschreibungen, ganz auf die Sache konzentriert.
Saramago war ein Kämpfer, wie es nur
wenige gibt. Er bleibt eines der wahren Vorbilder. Für
Menschlichkeit und den Mut, für diese zu streiten. Möge sein
Werk Literaten anregen, in gleicher unhysterischer, aber um so
schärferer Form die Gesellschaft an ihre Schwächen zu erinnern
und vor kleingeredeten Fallstricken zu warnen. |
18/06/10
Größtes Juggerfeld: Tempelhofer Rollfeld
Heute war zum zweiten mal TSV Rudow (Jugger - Teams Skull! und
!Lluks) trainiert seit dem 8. Juni auf dem Rollfeld des ehemaligen
Flughafens Tempelhof. Nachdem das Rollfeld für die Öffentlichkeit
zugänglich gemacht wurde (mit Parkwächtern und abendlicher Schließung)
konnte der Sportverein von der Hasenheide auf das attraktivere, riesige
Gebiet mitten in Berlin ausweichen. Schon die Weite, die sich dem Auge
nach der Reise durch die dichtbebaute Stadt darbietet, ist
beeindruckend. Traingszeiten und den genauen Ort gibt's
hier.


Der Kinderkanal (kein Link, weil keine permanenten Seiten) war auch wieder da - sie scheinen einen Narren an dem Jugendteam !Lluks gefressen zu haben.
17/06/10
Und täglich grüßt ... die Bahnverspätung
Das Internationale Logistikunternehmen beweist auch in dieser Woche, was
es kann: Auf der Hinfahrt zu einer Veranstaltung (350km) hatte der
Anschluß-IC in Norddeutschland 35 Minuten, ein parallel abfahrender ICE
vom Nebengleis 30 Minuten Verspätung. Wegen angeblichem Schaden an einem
der Waggons. Auf der Rückfahrt am nächsten Morgen machte der IC es sich
kurz vor Berlin 48 Minuten lang gemütlich und trank Kaffee, weil es eine
Signalstörung gab. Da fehlte wohl Personal für die Wartung.
Und bei einem Kollegen von mir haben sie gestern kurzerhand den Waggon vergessen, wodurch seine Reservierung ungültig wurde und er fröhlich durch die Wagen migrieren durfte. Das tut man außerordentlich gern bei einer vollen Seminarwoche.
Großes Kino. Die Berliner S-Bahn wird kaputtgespart (was selbstverständlich ohne strafrechtlcihe Folgen bleiben wird, warum auch: Signale stehen also auf "weiter so!") und der große Bruder scheint inzwischen auch marode zu sein. Liebe Deutsche Bahn, wenn man mit Euch in Ferien fährt, mag man ja Geduld und Humor mitbringen. Aber bei Geschäftsreisen ist Euere zuverlässige Dauerverspätung doch ein wenig nervtötend. Ihr verletzt damit im Übrigen eklatant Euere inhärente Verantwortung, als umweltfreundliches Verkehrsmittel, das vom Geld der Bürger aufgebaut wurde und - erstaunlicherweise immernoch - im Besitz der Bürger ist, attraktiver zu bleiben als die Dreckschleudern auf unseren Straßen.
Aber Passagiere sind für dieses Unternehmen ohnehin nur noch Ballast, hat man den Eindruck - wer an die Börse will, muß wohl in größeren Dimensionen denken. Einen herzlichen Dank an den wohlbezahlten Ex-Bahnmanager H. M. und seine Geistesverwandten. Ihr bekommt die Bahn schon noch kaputt.
11/06/10
Jugger: Kein "Aggressionsabbau", aber Fairness, Teamgeist, Körperwahrnehmung
"Das erzieht doch zur Gewalt!", soll ein Lehrer zu
dem Vorschlag gesagt haben, eine Jugger-AG durchzuführen. Doch konnten
seine Befürchtungen auch durch die Aussagen von Praktikern ausgeräumt
und die AG erfolgreich weitergeführt werden.
Daß der Titel des alten Buches Quark ist, ist bereits hinreichend dargelegt worden. Wer jedoch wie im erwähnten Falle Argumentationshilfen gegenüber Lehrern, Sportbünden usw. brauchen kann, um eine Jugger-Gruppe aufzubauen oder Trainingsorte zu bekommen, findet im erweiterten Beispiel-Konzept einer Schul-AG nun auch eine kleine Auswahl an Zitaten von Fachleuten aus der Praxis. Ich habe mir erlaubt, sie aus dem aktuellen Buchprojekt im Archiv der Jugendkulturen zu entnehmen - die vollständigen Interviews finden sich dort.
Außerdem hier vorab einige der Zitate:
„[Jugger ist] eine sehr interessante Geschichte für den Schulsport, da dort in einer sehr begrenzten Zeit die motorischen Entwicklungsreize gesetzt werden sollen, und das passiert hier optimal.“ - Dr. Andreas Günther, Institut für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik der Martin Luther Universität Halle „Die interne Kommunikation ist stärker anzusiedeln als in anderen Sportspielen im Sportunterricht. [...] Alle Spieler müssen integriert werden, um erfolgreich zu sein, im Gegensatz zu Fußball, wo man einfach als dritter Torpfosten herumsteht.“ - Dr. Andreas Günther „Jeder [ist] ein wichtiger Bestandteil der Gruppe und wenn nicht alle zusammenhalten, funktioniert das ganze Team nicht. Das ist bei Fußball, Basketball und Volleyball u.a. ganz anders: Ein starker Spieler macht da das Spiel. “ - Dipl. Soz. Päd. Markus Böttcher, Schulsozialpädagoge an der OGS Nortorf „Im Vergleich zu Rugby und American Football kommen die Spieler - außer der Läufern - ja nie richtig in Berührung mit den Gegnern. Das Touchieren mit den Pompfen ist ja ganz harmlos, viel harmloser als bei Völkerball.“ - Andreas Güttner, Mitglied im Lehrteam der Jugend des Deutschen Ju-Justu-Verbands |
03/06/10
"Aggressionsabbau": Ein Buchtitel kann irreführend sein
In der "Welt am Sonntag" ist ein größerer Artikel über Jugger erschienen, der insgesamt für diese Zeitung doch ganz gut geworden ist. Er ist mit den Schergen von Monasteria entstanden. Gerade habe ich die Printausgabe der Zeitung gesehen und den Kasten, in dem ein Zitat gebracht wird - allerdings ist dies kein wörtliches Zitat von mir, sondern offenbar aus dem Titel des Buches formuliert:

Quelle: Welt am Sonntag
Nun vertrete ich diesen Standpunkt gerade nicht, da "Aggressionsbbau" gemäß NOLTING im streng soziologisch-pädagogischen Sinne so nicht bewirkt wird. Was aber auch nach Ansicht von Sozial- und Sportpädagogen, Sportlehrern und Gruppenleitern durchaus enorm gefördert werden kann, ist die Stärkung des Verantwortungsgefühls, der gegenseitigen Achtung und Kooperation sowie - weit mehr noch als in anderen Sportarten - Fairness und Gleichberechtigung. Die Interviews mit den Fachleuten werden im Herbst in dem neuen Buch beim Archiv der Jugendkulturen nachlesbar sein.
Doch der Welt am Sonntag ist hier nicht einmal ein nennenswerter Vorwurf zu machen. Denn der Titel des Buches sagt genau das aus, was in dem Kasten steht. So bin ich auch der Falsche, um daran Kritik zu üben: Die Diskrepanz zwischen Titel und Inhalt liegt darin begründet, daß dieser Titel leider gegen meinen ausdrücklichen Widerstand durchgesetzt wurde. Ich entschied mich gegen das Einstampfen des Buches, und das sind dann halt mögliche, aber doch in summa zum Glück wenig dramatische Folgen, die hier vielleicht sogar die Akzeptanz des Jugger bei Lehrern und anderen trotzdem steigern können.
So bleibt dies ein hervorragendes Beispiel für "don't judge a book by its cover" - und mehr noch sei hinzugefügt: not even its message ...
02/06/10
Manueller Nachtrag zu "Großartig: ..."
... da Thingamablog beim Editieren des Beitrags (ironischerweise)
stets einfriert.
Nachtrag: Sie scheint zwar als
Favoritin gehandelt worden zu sein, wenn man der Tagesschau glauben
darf, aber inzwischen wohl schon nicht mehr so recht zur Diskussion zu
stehen. Ein Meisterstück der Politik: Erst schocken, dann scheint (fast)
jede Alternative erträglicher. Von Wegen Würde des Amtes ...
Nachtrag II: "'Christian Wulff ist ein Steher', sagte Tillich im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF." - Quelle
Ein Steher? Weiß Herr Tillich wirklich, was er da gesagt hat? So viel zum Niveau der Debatte.
Großartig: Georg Schramm zu Bundespräsidentenwahl und Köhler
Großartiges Interview im Deutschlandradio! Großartig! So viel zur "Würde des Amtes" des Bundespräsidenten - Endlager der Parteien.
Bei der Gelegenheit: Hoffentlich sind die Gerüchte um Nachfolgekandidaten wirklich nur Gerüchte und Netz-Hysterie. Allein die absurde Vorstellung von der u. g. Dame als Präsidentin bewegt zu Auswanderungsplänen. Achtung Aktienhändler: Die Kurse der Brechtütenindustrie dürften jedenfalls in die Höhe schnellen. Sicheres Investment, und das in diesen Zeiten. Geht doch - Aufschwung 2.0.

Nachtrag: Sie scheint zwar als Favoritin gehandelt worden zu sein, wenn man der Tagesschau glauben darf, aber inzwischen wohl schon nicht mehr zur Diskussion zu stehen. Ein Meisterstück der Politik: Erst schocken, dann scheint (fast) jede Alternative erträglich ... -